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Sexualberater*innen ISBB
werden Präventionsbeauftragte
und wirken als Vertrauensleute für Sexualität
und gegen deren Missbrauch.
Seit 1996 kümmert sich das ISBB Trebel um die selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen an einer erfüllenden und motivierenden Sexualität. Mit dieser Arbeit hat das ISBB Sexualbegleitung als Empowerment-Methode entwickelt und etabliert.
Es hat für das ISBB 20 Jahre gedauert bis das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch für kognitiv eingeschränkte Menschen tief in die tabuisierende Pädagogik vorgedrungen ist. Erst mit der Vielzahl an sexuellen Übergriffen, die 2010 nicht mehr zu ignorieren waren (Kirchen, Sportvereinen, Reformpädagogik), brach das Tabu
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Im Kontext dieser Entwicklung kann sich das ISBB zu Gute halten, schon früh genug fortschrittliche Forderungen immer wieder zu wirksamen Methoden geformt zu haben.
Nun durchlebt die Pädagogik aktuell eine Reform, durch die auch andere Lebensbereich behinderter Menschen sich emanzipieren.
Selbstbestimmung und Partizipation im Jugendhilfebereich und im Eingliederungshilfebereich werden tatsächlich auch von Trägerseiten eingefordert.
Sehr fortschrittlich sind nach der großen Missbrauchs-Krise der katholischen Kirche deren Einrichtungs-Träger geworden. In der Kölner Caritas werden nicht mehr Leitbilder für die Schubladen produziert. Eine ganz neue Pädagogik wird dort eingeübt, weil sie auch von Bischöfen eingefordert wird. Wir veröffentlichen hier beispielsweise Regelwerke, in denen auch wir uns wiederfinden. Uns besonders wichtige Textpassagen sind rot hervorgehoben:
Konzept zur Begleitung von
Menschen mit Behinderung
zum Thema Beziehungen, Liebe und Sexualität im Leistungsbereich Wohnen und Leben / BeWo
(leicht gekürzt)
Präambel
In der täglichen Praxis begegnen MitarbeiterInnen innerhalb der fachlichen Begleitung von Menschen mit Behinderung zunehmend ganz unterschiedlichen Fragen zu Beziehungen, Liebe und Sexualität. Daraus resultiert die fachliche Notwendigkeit der konzeptionellen Thematisierung. Dieses Konzept möchte anregen, die Auseinandersetzung mit diesen Themenbereichen innerhalb der Dienste im Leistungsbereich Wohnen und Leben zu führen, um für MitarbeiterInnen, KlientInnen und Angehörige eine verbindliche Haltung und zuverlässige Standpunkte zu formulieren und damit Sicherheit und Vertrauen in diesem sensiblen Themenkomplex zu vermitteln.
.....
1. Gesellschaftliche Veränderungen im Umgang mit Beziehungen, Liebe und
Sexualität
Gesellschaftliche Normen, moralische Einstellungen und Haltungen sowie die individuellen Rechte und gesetzliche Rahmenbedingungen zum Umgang mit diesen Themen in der Begleitung von Menschen mit Behinderung, haben sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Die Grundrechte gelten uneingeschränkt für alle Menschen, so dass - auch in Anlehnung an das Normalisierungskonzept - Einrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe die rechtliche und ethische Verantwortung tragen, ihre KlientInnen bei Fragen von Beziehungen, Liebe und Sexualität zu beraten und zu begleiten.
Menschen mit Behinderung stehen hierbei häufig in einem besonderen Spannungsfeld
zwischen den eigenen Bedürfnissen sowie den Sichtweisen und Unsicherheiten von
Angehörigen, der Umwelt und den Einrichtungen und Diensten. Behinderungsbedingte
Besonderheiten setzen die Grundrechte zur freien Entfaltung der Persönlichkeit nicht außer Kraft.
Auch MitarbeiterInnen begegnen diesen Themen häufig mit Unsicherheit. Diese basiert auf der erlebten Diskrepanz zwischen eigenen Wertvorstellungen, den Vorgaben der Grundordnung des kirchlichen Dienstes sowie den Lebensentwürfen und dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung der Klienten.
Dies verdeutlicht 2004 Papst Johannes Paul II, als er zum Internationalen Symposium
„Würde und Rechte geistig behinderter Menschen“ darauf hinweist, dass auch Menschen mit Behinderung Bedürfnisse nach Zärtlichkeit und Intimität haben, aber hinsichtlich dieser legitimen und natürlichen Bedürfnisse benachteiligt werden (Botschaft von Johannes Paul II. an die Teilnehmer des internationalen Symposiums zum Thema "Würde und Recht von geistig behinderten Menschen, 2004). Vor diesem Hintergrund scheint eine konzeptionelle Entwicklung des Themenbereichs Beziehungen, Liebe und Sexualität zu einer wichtigen, institutionellen Aufgabe zu werden. Eine gemeinsam erarbeitete Konzeption zu diesem Themenbereich kann dazu beitragen, dass ein positives Klima im Umgang mit diesen Themen gelingen kann und bietet als Orientierungshilfe den fachlichen Begleitern Handlungssicherheit.
2. Aspekte der sexuellen Entwicklung bei Menschen mit Behinderung
Menschen benötigen für die umfassende Ausbildung ihrer Identität positive
Selbsterfahrungen und die bewusste Wahrnehmung und Anerkennung von
Entwicklungsprozessen durch ihre Umwelt. Vertrauen in das Umfeld und Vertrauen in das Selbst ist von frühen Entwicklungsphasen an wichtig und notwendig, um autonom und selbstbestimmt Denken und Handeln zu können. Enge Bindungen zu Bezugspersonen sind von frühen Jahren an wesentlich für die erfolgreiche Bewältigung von Entwicklungsaufgaben.
Störungen in der Beziehung zu nahen Bezugspersonen können zu Bindungsstörungen
führen, die die Bewältigung von psychosozialen und auch psychosexuellen Erlebens- und Verhaltensweisen beeinträchtigen können. Eine selbstbewusste, achtsame und harmonische sexuelle Entwicklung kann vor allem gelingen, wenn positives Bindungsverhalten sowie der Umgang mit Liebe, Wärme und Zuneigung in partnerschaftlichen Verhältnissen erfahren werden konnte. Auch später sind eigene, partnerschaftliche und sexuelle Erfahrungen in Beziehungen zu anderen Menschen prägend für die Vertiefung positiver Verhaltensmuster. Die Komplexität von Beziehungen, Liebe und Sexualität kann für Menschen mit und ohne Behinderung eine herausfordernde Hürde darstellen, die sie ohne Rückkopplung mit der Umwelt überfordern kann.
Menschen mit Behinderungen können daher unter Umständen in ihrem Bindungsverhalten beeinträchtigt sein. Es kann eine Diskrepanz zwischen sozial-emotionaler und psychosozialer Entwicklung bestehen. Das bedeutet, dass bei einem Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung das Entwicklungsalter nicht zwangsläufig mit dem psychosexuellen Entwicklungsalter korrelieren muss.
Bei Menschen mit einer psychischer Erkrankung ist zu berücksichtigen, dass sie im Laufe ihres Lebens bereits sexuelle Vorerfahrungen sammeln konnten und daher eine
differenziertere psychosexuelle Sozialisation erfahren haben könnten.
3. Grundlagen zum Umgang mit sexualisierter Gewalt
Dass Menschen mit Behinderung häufiger Opfer von sexualisierter Gewalt werden, ist es notwendig Präventions- und Interventionskonzepte in Einrichtungen und Diensten zu
implementieren. Zur Definition von sexualisierter Gewalt lehnen wir uns an die am
26.08.2013 im Rahmen einer Pressemeldung der Deutschen Bischofskonferenz
veröffentlichten „Rahmenordnung Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und erwachsenen Schutzbefohlenen“.
Die Verhinderung von sexualisierter Gewalt sowie der Schutz der Opfer und deren
Unterstützung bei der Aufklärung und Aufarbeitung müssen höchste Priorität haben.
Dazu bedarf es auf allen Ebenen, in allen Diensten und Einrichtungen einer offenen
Auseinandersetzung mit dem Thema sowie der Erstellung von verbindlichen
Einrichtungskonzepten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt.
Grundlage hierzu bilden neben dem genannten Papier der Deutschen Bischofskonferenz die Empfehlungen des Deutschen Caritasverbandes und die Präventionsordnungen der (Erz-)Bistümer in NRW in der jeweils aktuellen Fassung nebst den dazugehörigen Ausführungsbestimmungen. Im Erzbistum Köln ist zum Mai 2014 die neue Ordnung zur Prävention gegen sexualisierte Gewalt an Minderjährigen und schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen (Präventionsordnung) nebst
Ausführungsbestimmungen zu § 3 PrävO Institutionelles Schutzkonzept und Ordnung zum Umgang mit Hinweisen auf sexuellen Missbrauch an Minderjährigen und an
schutz- oder hilfebedürftigen Erwachsenen durch Kleriker, Ordensangehörige oder Laien und Ehrenamtliche im pastoralen oder kirchlichen Dienst des Erzbistums Köln
(Verfahrensordnung Missbrauch – VerfO Missbrauch) in Kraft getreten.
Der Caritasverband für die Stadt Köln e.V. verfügt über Regelungen im Qualitätsmanagementhandbuch wie z.B. ein institutionelles Schutzkonzept und Verfahren zur Krisenintervention.
3.1 Prävention und Aufklärung
Da Menschen mit geistiger Behinderung häufig überbehütet aufgewachsen sind, nicht umfassend aufgeklärt wurden, eine ausgeprägte Anpassung verinnerlicht und/oder Institutionserfahrung haben, besteht bei vielen ein hohes Maß an Gefährdung, Opfer von Missbrauch zu werden.
Bei Menschen mit psychischer Erkrankung führen Selbstunsicherheit, ambivalentes und schwankendes Nähe-Distanz-Verhalten zu einer überdurchschnittlichen Gefährdung.
Hier spielt auch die Sensibilisierung der MitarbeiterInnen eine zentrale Rolle. Die
Auseinandersetzung mit Themen wie Scham, gängigen Normen und Respekt vor Grenzen des anderen kann Gefährdungen abbauen.
Zentrale Elemente der Präventionsarbeit sollten Aufklärung / Zugang zu Informationen über Körper, Sexualität und sexuelle Gewalt sein.
Aufklärung ist von größter Wichtigkeit, da sie unter anderem die Gefährdung vor
Missbrauch, ungewollter Schwangerschaft etc. reduzieren kann. Dabei ist die
Aufklärung als lebenslanger Prozess zu sehen, in dem sich die Fragen und Anliegen
u. U. mit dem fortschreitenden Lebensalter verändern.
Die geistige Entwicklung hält bei Menschen mit geistiger Behinderung oft mit der körperlichen nicht Schritt, und die Aufklärungsarbeit bedarf daher einer barrierefreien (leichte Sprache, Gebärden o. ä.), auf die Klienten zugeschnittenen Gestaltung.
Eine verantwortungsvolle Beziehungsgestaltung zwischen Klienten und MitarbeiterInnen ist hier die Grundvoraussetzung. Dazu benötigen die MitarbeiterInnen Beratung und Begleitung, Raum für Austausch, Haltungsbildung und verbindliche Festlegungen zur Position des Trägers.
Auch die Angehörigen sollen in diesen Prozess aktiv einbezogen werden (Trialog), da
diese Seite mit ihren Ängsten und Befürchtungen erheblich zum Gelingen oder
Misslingen sexueller Aufklärung und positiver Beziehungsgestaltung bei ihren
behinderten Verwandten beitragen kann. Nach Möglichkeit sollte ein neutraler
Experte zur Verfügung stehen.
Gemäß Artikel 2, Abs.1 des Grundgesetzes „…hat jeder Mensch das Recht auf freie
Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht
gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Anders
formuliert: Jeder Mensch bestimmt grundsätzlich selbst über seine Sexualität. Dies
erfährt dort Grenzen, wo die Grenzen der Mitmenschen berührt bzw. überschritten
werden. Hier gilt es, zu deren Schutz, auch die individuellen Grenzen der
professionellen Mitarbeitenden in den Einrichtungen zu akzeptieren. Hierzu gehört
auch die klare Begrenzung der individuellen Unterstützung in einem professionellen
Betreuungsverhältnis, um Missverständnissen und Missbrauch vorzubeugen.
Dennoch oder gerade deshalb müssen Institutionen im individuellen Fall den Rahmen
(materiell, räumlich, und/oder zeitlich) schaffen für Intimität und z. B. das
Zusammenleben eines Paares.
4. Rechtliche Hintergründe
Grundgesetz
· Artikel 1 Grundgesetz (GG) beschreibt die Unantastbarkeit der menschlichen
Würde, deren Achtung und Schutz.
· Artikel 2 GG regelt die freie Entfaltung der Persönlichkeit, solange dadurch die
Rechte anderer nicht eingeschränkt werden
· Artikel 3 GG verbietet die Benachteiligung/Diskriminierung von m
Übereinkommen der vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK)
· Artikel 1 Zweck: Gewährleistung der Menschenrechte/Grundfreiheiten für alle
Menschen mit Behinderungen.
· Artikel 9 Zugänglichkeit: Teilhabe an der Gesellschaft umfasst unter anderem den Zugang zu Informationen. Dies eröffnet Möglichkeiten, sich je nach Behinderung, über unterschiedliche Medien, beispielsweise Informationen zur Aufklärung über Fortpflanzung zu beschaffen.
· Artikel 23 Achtung der Wohnung und Familie. Legt die Gleichberechtigung mit anderen in allen Fragen, die Ehe, Familie, Elternschaft und Partnerschaften betreffen fest.
· Artikel 25 Gesundheit: Gesundheitsversorgung soll in der geleichen Bandbreite wie für die anderen Menschen sichergestellt werden. Dazu gehört auch eine qualitativ ebenso gute Versorgung von sexual- und fortpflanzungsmedizinischen
Gesundheitsleistungen vor, wie sie Menschen ohne Behinderung zur Verfügung
steht.
Sozialgesetzbuch IX
Im § 4 SGB IX werden Leistungen zur Teilhabe analog zu UN-
Behindertenrechtskonvention beschrieben. Leistungen zur selbstbestimmten und
gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft umfassen auch die
sexuelle Teilhabe, um die Gleichberechtigung zu Menschen ohne Behinderung zu
gewährleisten. Demnach sollen Leistungen auch Sozialleistungen umfassen, die
persönliche Entwicklung ganzheitlich fördern und ein selbstbestimmtes und
selbstständiges Leben ermöglichen oder erleichtern.
5. Werte und Haltungen
Die wesentlichen Grundaussagen des Leitbildes katholischer Einrichtungen zur achtsamen, wertschätzenden und würdevollen Art der fachlichen Begleitung, gelten auch für den Bereich der Beziehungen, Liebe und Sexualität.
Individuelles Wohlbefinden kann nur durch eine positive Haltung
der MitarbeiterInnen gegenüber Beziehungen, Liebe und Sexualität gelingen.
Dazu wurden im Strategiepapier „alle inklusive“ des Caritasverbandes für die Stadt Köln sechs Thesen formuliert:
Eine Partnerschaft zwischen zwei Kunden ist auch bei und für Menschen mit Behinderung ein erstrebenswertes Ziel individueller Entfaltung.
Die Haltung der Mitarbeitenden und der Schutz der Intimsphäre (des gesamten Körpers, der Art der individuellen Selbstdarstellung, des privaten Raums, privater Gegenstände, privater Beziehungen) der Kunden sind entscheidend, um Selbstbestimmung hier zu ermöglichen.
Wir pflegen eine positive Haltung zur sexuellen Selbstbestimmung und ermöglichen unseren Kunden das Ausleben ihrer Sexualität auf der Grundlage einer positiven Beziehungsgestaltung, z .B. auch durch die Begleitung bei der Organisation einer professionellen Sexualassistenz.
Wir unterstützt in unseren Einrichtungen die Beziehungs-, Verhütungs- und Lebensplanung unserer Kunden durch Aufklärung und Beratung.
Wir unterstützen bei einer Eheschließung und bei der intensiven Auseinandersetzung mit einem eventuell vorhandenen Kinderwunsch (Probleme, Möglichkeiten, Risiken, individuelle Motivation etc.).
Im Rahmen der gesellschaftlichen Sensibilisierung gegenüber sexuellem Missbrauch und Gewalt in Abhängigkeitsverhältnissen erarbeiten wir ein umfassendes Präventionskonzept und setzen es um.
6. Umgang mit Sexualität im LB Wohnen und Leben
6.1 Problemfelder aus Sicht der Klienten
Ø Einrichtungsstrukturen
Ø Haltungen der Mitarbeiter
Ø schwierige Partnerwahl
6.2 Problemfelder aus Sicht der Mitarbeiter
Ø eigene Werte
Ø Strukturen der Einrichtung
Ø katholischer Träger
6.3 Problemfelder aus institutioneller Sicht
Ø räumliche Ressourcen
Ø kath. Träger (Grundordnung)
Ø personelle Ressourcen
6.4 Festlegungen zum Umgang mit bestimmten Situationen. Persönliche Haltung, persönliche Grenzen der MA zu Anforderung durch Klienten
Kann ein/e MitarbeiterIn die Lebensführung seines Klienten an einer Stelle nur schwer mit seinen persönlichen Moral- und Wertevorstellungen vereinbaren, sollte dies akzeptiert und bei der Klientenzuordnung berücksichtigt werden. Dazu ist eine offene und sexualfreundliche Gesprächskultur innerhalb der Einrichtungen / des Teams unerlässlich.
· Katholische Glaubens und Sittenlehre versus Lebensführung der Klienten
Für die MitarbeiterInnen ergibt sich u.U. neben dem Spannungsfeld zwischen der Erwartung an ihre persönliche Lebensführung und dem Lebenskonzept der KlientInnen, auch eine hohe Unsicherheit bezüglich der tatsächlich geltenden Grundsätze, denn auch zwischen „gelebter Kirche“ und der Auslegung der Glaubens- und Sittenlehre, können Diskrepanzen sichtbar werden.
Wir fördern hier aktiv eine Kultur der Offenheit und der Diskussion, wertschätzen die persönlichen Lebensmodelle unsere MitarbeiterInnen und KlientInnen und nehmen keine moralischen Beurteilungen vor.
· Abgrenzung zu Mitarbeitern / Nähe-Distanz-Verhältnis
Unsere MitarbeiterInnen befinden sich in einem professionellen Betreuungsverhältnis zu unseren KlientInnen und wahren ein entsprechendes Nähe-Distanz-Verhältnis.
MitarbeiterInnen müssen sich deutlich abgrenzen und frühzeitig gegenüber Leitung und / oder Team eine Problemanzeige machen, wenn KlientInnen versuchen diese Grenze zu überschreiten und die MitarbeiterInnen als Teil ihres privaten Freundeskreises zu betrachten. Nur so kann der/die MitarbeiterIn sich und seine/seine Beziehung gut reflektieren, ggfs. den KlientInnen abgeben oder die Zusammenarbeit verändern.
Jeder Klient sollte von Anfang an wissen, dass es kein Exklusiv-Recht auf einen Mitarbeiter gibt, die Betreuung auch wechseln kann und z.B. Vertretungen vorgesehen sind.
Es ist untersagt, dass MitarbeiterInnen den KlientInnen ihre private Rufnummer geben, mit diesen auch aus dem Urlaub oder der Krankheit kommunizieren oder KlientInnenen zu sich nach Hause einladen. Sollten derartige Kontakte aus dienstlichen und fachlichen Gründen in Ausnahmefällen begründet sein, sind sie von der Leitung zu genehmigen und die Arbeitszeit ordentlich zu erfassen.
Private Informationen sollten nur sehr reflektiert und selektiert an Klienten weiter gegeben werden.
· Privat- und Intimsphäre (z.B. in WGs oder auf Reisen)
Wir achten und schützen die Intimsphäre (des gesamten Körpers, der Art der individuellen Selbstdarstellung, des privaten Raums, privater Gegenstände, privater Beziehungen) der KlientInnen.
Wir betreten Wohnungen/Zimmer der KlientInnen nur nach vorherigem Klingeln bzw. Klopfen und nachdem wir dazu z.B. durch ein „Herein“ dazu aufgefordert wurden.
Gleichzeitig erwarten wir, dass die KlientInnen die Intimsphäre der MitarbeiterInnen und ggfs. von MitbewohnerInnen achten und z.B. bei gemeinsamen Terminen oder in den WG-Gemeinschaftsräumen angemessen gekleidet sind, die Türe von Bad und Toilette bei deren Nutzung schließen, sie keine anzüglichen Bemerkungen machen etc.
· Aufklärung
Beratung und Aufklärung müssen auf die Bedürfnisse der KlientInnen angepasst sein und umfassend geschehen.
In vielen Fällen bietet sich die Nutzung externer ExpertInnen wie Fachberatungsstellen etc. an.
· Medienkompetenz/Mediennutzung
Mediennutzung ist grundsätzlich Privatsache der KlientInnen. Trotzdem beraten wir zu den Möglichkeiten z.B. des Internets zur Informationsgewinnung, zum Aufbau sozialer Kontakte etc., aber zum Selbstschutz der KlientInnen auch zu Gefahren übermäßigen Medienkonsums, versteckten Kostenfallen, Gefahren der Nutzung illegaler Seiten etc.
Wir nutzen keine Dienstgeräte um KlientInnen bei dem Besuch von einschlägigen Internetseiten zu unterstützen (auch nicht zu Anschauungs- und Lehrzwecken). Alternativ unterstützen wir beim Besuch eines Internetcafés.
Ggfs. vermitteln wir zu Fachberatungsstellen oder andere ExpertInnen.
· Beziehung und Partnerschaft
Wir unterstützen den Wunsch unserer KlientInnen nach einer ausfüllenden Partnerschaft.
Wir begleiten erwachsenen Menschen, die selbstbestimmt ihr Leben gestalten.
Beziehungen, in denen ein Partner sehr dominant ist und vielleicht dem anderen sogar Schaden zufügt (asymetrische Beziehungen), gehören zwar in das übliche Spektrum von Beziehungen. Wir geben unseren KlientInnen hier dennoch kritische Rückmeldungen und bieten Unterstützung und Beratung an und stellen falls gewünscht Kontakt zu Anlaufstellen her.
Wird von dem KlientInnen aktiv z.B. eine Trennung gewünscht, unterstützen wir bei der vorrübergehenden Unterbringung, Wohnungssuche etc.
Der Wille des KlientInnen ist maßgeblich. Dazu kann es gehören, dass wir auch für sie/ihn schädliche Situationen bis zu einem gewissen Grad aushalten müssen. In solchen Situationen ist es oberstes Gebot für die MitarbeiterInnen, sich umgehend Beratung und Unterstützung bei der Leitung, im Team, bei der Supervision oder beim Ethikrat zu holen und danach die weitere Betreuung auszurichten oder sogar zu beenden.
· Homosexualität / Transsexualität
Beziehung, Liebe und Partnerschaft als wichtiges Element zur zufriedenen Lebensführung, sind für uns in ihren verschiedenen Ausprägungen ein hohes Gut
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Unsere MitarbeiterInnen unterstützen unsere KlientInnen. bei ihrer Identitätsfindung und vermitteln entsprechende Beratungsangebote.
Hierbei pflegen wir eine positive Haltung gegenüber der sexuellen Selbstbestimmung der KlientInnen.
· Gesundheitsschutz und Verhütung
Wir unterstützen in unseren Einrichtungen die Beziehungs-, Verhütungs- und Lebensplanung unserer KlientInnen durch Aufklärung und Beratung.
Ggfs. geschieht dies durch die Vermittlung an einen Arzt oder eine Beratungsstelle oder direkt z.B. durch die Erinnerung an Termine oder Einnahmezeiten.
· Kinderwunsch
Der Wunsch nach eigenen Kindern ist ein legitimes Lebensziel.
Wir versuchen mit den KlientInnen sehr genau die Motive herauszuarbeiten, die diesem Wunsch zu Grunde liegen und versuchen sicher zu stellen, dass den Klienten die immense Tragweite bewusst ist z.B. durch Baby-Bedenkzeit-Puppen, Besuch fachlich kompetenter und mit der Zielgruppe vertrauter Beratungsstellen usw.
Wir beraten über Unterstützungsmöglichkeiten wie Jugendhilfe, Familienhebamme, Mutter-Kind-Einrichtung etc., ggfs. aber auch zu den besonderen Schwierigkeiten und Anforderungen, die die Elternschaft für Menschen mit Behinderungen mit sich bringen kann.
· Schwangerschaftskonflikt
Befindet sich eine Klientin in einem Schwangerschaftskonflikt, beraten wir zu Alternativen zu einer Abtreibung (z.B. Adoption, spezialisierte Einrichtungen und Unterstützungsdienste), um intensiv auf eine positive Zuwendung der Klientin zu Schwangerschaft und Kind hinzuwirken. Ziel ist es unsere lebensbejahende Haltung weiterzugeben.
Wir vermitteln Kontakte zu Beratungs- und Unterstützungsangebote (Esperanza, Jugendamt, Familienhebamme, Mutter-Kind-Einrichtung, Familienunterstützender Dienst etc.)
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Die Entscheidung zu diesem Schritt, trifft die Klientin dennoch selbst.
· Wunsch nach gelebter Sexualität
Beziehung, Partnerschaft und Liebe sind für uns der bevorzugte Rahmen, in dem Sexualität stattfindet. Nicht jede/r unserer KlientInnen findet allerdings einen Partner / eine Partnerin und sucht andere Wege der Befriedigung
Organisiert der/die KlientInnen dies aus eigenem Antrieb, nehmen wir keine moralische Bewertungen vor, beraten aber z.B. zu leidvollen Seiten von Prostitution, zu Gesundheitsschutz und Verhütung etc.
Die Anbahnung einer professionellen Sexualassistenz kann im Einzelfall sinnvoll sein, ist aber mit der Leitung abzustimmen
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· Deviantes (abweichendes) Verhalten
Verstößt das Verhalten unserer KlientInnen gegen übliche Normen oder geltendes Recht, finden dieselben Maßstäbe und Gesetze Anwendung wie bei Menschen ohne Behinderungen.
Sind andere KlientInnen oder MitarbeiterInnen durch das Verhalten des/der KlientIn bedroht oder wurden sogar geschädigt, sorgen wir für den Schutz der Opfer schalten auch wir ggfs. die Behörden ein.
Bewegen sich die Verhaltensweisen nicht im rechtswidrigen Raum, liegen sie zwar alleine in der Verantwortung und Selbstbestimmung des/der KlientIn. Wir pflegen dennoch einen offensiven Umgang damit, geben Feedback, bieten Beratung und Vermittlung an Fachberatungsstellen an und begrenzen den Klienten, wo wir können (z.B. durch klare Verhaltensregeln in den Hausordnungen der Einrichtungen und Wohngemeinschaften, Hausverbote, Ausschluss von Veranstaltungen etc.).
· Prävention (intern), Umgang mit Gefährdungen/Übergriffen von Außen
Siehe bald Risikoanalyse und institutionelles Schutzkonzept gemäß Vorgaben des Erzbistums Köln
6.5 Einbeziehung der Angehörigen
Die Einbeziehung von Angehörigen ist in der Arbeit mit erwachsenen Menschen mit Behinderungen oft spannungsgeladen und komplex. Das gilt natürlich im besonderen Maße bei einem so emotionalen und oft schambesetzen Thema wie der Sexualität.
Bei uns stehen die KlientInneninteressen grundsätzlich im Vordergrund. Die Einbeziehung von Angehörigen ist aber oft nicht zu umgehen und kann in vielen Fällen auch entwicklungs- und beziehungsfördernd sein.
6.6 Unterstützung für MitarbeiterInnen und Mitarbeiterqualifikation
Menschen mit Behinderungen benötigen in unseren Einrichtungen MitarbeiterInnen, die als ihre vertrauensvollen Bezugspersonen in der Lage sind, ihre Hilfebedarfe zu erkennen und angemessen zu begleiten. Daher ist einer Projektphase der Konzepteinführung und ggf. damit verbundenen Schulungen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen.
Nur eine echte Offenheit und sexualitätsfreundliche Haltung in den Teams, kann zu einem sicheren Umgang mit unseren Klienten im Rahmen dieses Themenfeldes führen.
Die formulierten Standpunkte dieses Positionspapiers müssen im Alltag von den Teams erprobt werden und ggfs. weiterentwickelt werden.
Schlappal, Funk, Wieland, Steltzer Köln, Februar 2016
Literaturliste zum Thema „Sexualität und Behinderung“ (Empfehlungen von Pro
Familia)
· Achilles, Ilse (2002): „Was macht ihr Sohn dann da?“ Geistige
Behinderung und Sexualität. München
Ein Buch über die Erfahrungen von Menschen mit Behinderungen, deren Eltern und Familie
· Bannasch, Manuela (Hrsg.) (2002): Behinderte Sexualität verhinderte
Lust?
AG SPAK Bücher
Ein Buch mit vielen Beiträgen zu unterschiedlichen Aspekten der Sexualität im Leben von Menschen mit einer Behinderung.
· Bosch, Erik / Suykerbuyk, Ellen (2006): Aufklärung – Die Kunst der
Vermittlung. Methodik der sexuellen Aufklärung bei Menschen mit einer
geistigen Behinderung. Weinheim und München
In diesem Buch wird praxisbezogen erklärt, wie Menschen mit einer geistigen Behinderung sexuelle Aufklärung vermittelt werden kann.
· Bosch, Erik (2004): Sexualität und Beziehungen bei Menschen mit einer
geistigen Behinderung. Tübingen
Ein Buch über Grundhaltung und Sichtweisen in der (sexualpädagogischen) Arbeit mit Menschen mit einer geistigen Behinderung.
· Fegert, J.M. u.a. (Hrsg.) (2007): Ich bestimme mein Leben selbst – und
Sex gehört dazu. Ulm
3 Bände mit verschiedenen Schwerpunkten und folgenden Titeln: 1. Geschichten Selbstbestimmung, Sexualität und sexueller Gewalt für junge Menschen mit einer geistigen Behinderung. 2. Kurzfassung des Forschungsberichtes zum Modellprojekt: Umgang mit sexueller Selbstbestimmung und sexueller Gewalt. 3. Begleitband für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wohneinrichtungen für junge Frauen und Männer mit einer geistigen Behinderung, deren Eltern sowie deren gesetzliche BetreuerInnen. Die Bücher geben BetreuerInnen und Menschen mit leichten Beeinträchtigungen gute Hilfestellungen um die Themen „sexuelle Selbstbestimmung und Sexualität“ zu bearbeiten
· Fürll-riede, C. /Hausmann, R. / Schneider, W. (2001): Sexualität trotz(t)
Handicap. Stuttgart
Dieses Buch zeigt anschaulich den Zusammenhang zwischen Sexualität und körperlichen Beeinträchtigungen auf. Begleitpersonen und BeraterInnen erhalten Informationen und Tipps über Möglichkeiten den betroffenen Menschen Hilfestellungen geben zu können.
· Hulsegge, J. / Verheul, A. (2001): Snoezelen. Eine andere Welt. Marburg
Im Buch sind Tipps und Hilfestellung enthalten, die dazu beitragen, die Körperwahrnehmung bei Menschen mit Beeinträchtigen zu fördern.
· Leue-Käding, Susan (2004): Sexualität und Partnerschaft bei
Jugendlichen mit einer geistigen Behinderung. Probleme und
Möglichkeiten einer Enttabuisierung. Memmingen
Die Autorin nimmt sich des Themas aus dem Blickwinkel der direkt Betroffenen an und schließt damit eine Lücke in der bisherigen Betrachtung des Themas. Fallvignetten
verdeutlichen die Theoretischen Ausführungen
· Mertens, Krista: Snoezelen. Eine Einführung in die Praxis. Dortmund
Im Buch sind Tipps und Hilfestellung enthalten, die dazu beitragen, die Körperwahrnehmung bei Menschen mit Beeinträchtigen zu fördern. Viele praktische Beispiele veranschaulichen die Möglichkeiten das Thema in den Institutionen aktiv anzugehen.
· Ortland, Barbara (2008): Behinderung und Sexualität. Stuttgart
Das Buch beschäftigt sich mit Erkenntnissen zur sexuellen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und Zeigt potenzielle Entwicklungserschwernisse bei Menschen mit einer Behinderung auf. Daraus folgen Vorschläge für sexualerzieherisches Handels.
· Pro Familie NRW /Hrsg.) (2005): Sexualität und geistige Behinderung.
Reader mit aktuellen Fachtexten für MultiplikatorInnen. Wuppertal
Der Reader greift aktuelle Themen auf und informiert über den aktuellen Kenntnisstand aus Theorie und Praxis. Er ist als Printmaterial über den Landesverband NRW zu bestellen.
http://www.profamilia.de/shop/index.php?cmd=artdetail&q=197
· Rapp, Conny (2005): Außergewöhnliche Kinder mit Down Syndrom und
ihre Mütter. Neumünster
Der Bildband „Außergewöhnlich“ portraitiert fünfzehn Mütter mit ihren Kindern. Die Bilder erzählen viel, aber nicht alles. Deshalb hat jede Mutter eine kleine Geschichte geschrieben.
· Rattay, Thomas (Jugendnetzwerk, Lambda) (2007): Volle Fahrt voraus –
Schwule und Lesben mit Behinderung. Berlin
Doppelt anders- doppelt gefordert. Das Interview-Projekt mit betroffenen Jugendlichen und Erwachsenen gibt anschaulich Einblicke in den Alltag mit Verschiedenheit und den daraus resultierenden zusätzlichen Belastungen zu leben.
· Pro Familia, Landesverband Hessen (2007): Drei Hefte für Menschen mit
einer Behinderung. 1. Julia und Peter werden ein Paar. 2. Julia und
Peter entdecken ihre Lust. 3. Julie ist eine Frau, Peter ist ein Mann.
Hessen
http://www.profamilia.de/article/show/22421.html
· Sandfort, Lothar (2002): Hautnah. Neue Wege der Sexualität behinderter
Menschen. AG SPAK Bücher
Dieser „Reiseführer in Sachen Erotik“ knüpft nicht an Vorurteile an, sondern zeigt Probleme und Lösungen auf. Partnerschaft und Sexualität sind wichtige Lebenserfahrungen, die einen Emanzipationsschub in der Behindertenbewegung einleiten werden.
· Schütz, E.E. / Kimmich T. (2001) Körper und Sexualität. Entdecken,
verstehen, sinnlich vermitteln. Freiburg im Breisgau
Das Autorenteam bietet Erwachsenen Anregungen an, um mit Kindern und Jugendlichen über das Thema „Sexualität“ ins Gespräch zu kommen.
· Theunissen, Georg /Kulig, Wolfram / Schirbort, Kerstin (Hrsg.) (2007):
Handlexikon Geistige Behinderung. Stuttgart
Dieses Handlexikon bietet umfassende Informationen mit den Stichpunkten von A bis Z zu allen behinderungsspezifischen Fragestellungen. Es bietet eine wissenschaftliche Orientierungshilfe und greift auch sexualpädagogisch relevante Themen auf (z.B. Stichpunkt Pubertät)
· Walter, Joachim (Hrsg.) (1992): Sexualität und geistige Behinderung.
Heidelberg
Ein sehr umfangreiches Werk über den Gesamtzusammenhang „Sexualität und geistige Behinderung“. Dieses Buch gilt als Klassiker zum Thema. Der Autor setzt sich seit langem für die Verbesserung im Umfang mit Sexualität in Einrichtungen der Behindertenhilfe in Deutschland ein.
· Walter, Joachim (Hrsg.) (2004): Sexualbegleitung und Sexualassistenz
bei Menschen mit Behinderungen. Heidelberg
Sexuelle Hilfestellungen ein bislang immer noch tabuisiertes Thema in Deutschland. Dieses Buch bietet Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, die zum Nachdenken und Handeln anregen.
· Weingärtner, Christian (2006): Schwer geistig behindert und
selbstbestimmt. Eine Orientierung für die Praxis. Freiburg im Breisgau
Ein wichtiger Beitrag zur Auseinandersetzung mit den bislang immer noch stak tabuisierten Themen „Sexualität, Intimität, Selbstbestimmung und schwere kognitive Einschränkungen“